Mittwoch, 22. Januar 2014

Land und Leute (2)

Diesmal geht es um zwischenmenschliche Beziehungen in der vietnamesischen Sprache und Kultur.
Ich bin (Christi)An. Dieser Satz, vor allem das "ich", mit dem ich mich selbst adressiere, ist immer richtig, egal ob mein gegenüber ein Kleinkind, ein Kollege oder mein Opa ist. Man könnte sagen, dass wir im westlichen Kulturkreis (denn das gilt meines wissens auch in den anderen Sprachen) ein absolutes ich haben.
In Vietnam ist das anders.
Üblichesweise gibt es einen "höheren" Gesprächspartner und einen "niedrigeren". Entscheidend ist hier das Alter. Sind die Personen nicht verwandt und der Altersunterschied ist nicht generationenweit, ist der höhere Partner "Anh" (Äng, männl.) bzw. "Chi"(tSchi, weibl.) Und der niedrigere "Em" (Ämm, immer). "Chi" bedeutet "Schwester", man sieht hieran das starke Zusammengehörigkeits-Gefühl der vietnamesen. Ebenso werden Alle Menschen, die entsprechen älter sind, werden mit "Onkel/Tante" bzw. "Opa/Oma" adressiert. Diese Zusammengehörigkeit entstammt (vermutlich) der Legende, nach der alle Vietnamesen aus 100 Kindern eines Drachens und einer Fee hervorgehen. Gefestigt wurde sie durch die vielen äußeren Anfechtungen, denen sich das Land seit jeher zu erwehren hat. Als Außenstehender ist mir diese Zusammengehörigkeit tatsächlich auffällig, ich muss aber auch sagen, dass sie nicht exklusiv ist, zumindest meist nicht.
Zurück zur Sprache: Im Sprachgebrauch ist die Rangfolge allgegenwärtig. So kann ich zu Hanas Eltern nicht einfach "Hallo" sagen, sondern sage stattdessen "ich begrüße Onkel/Tante", wobei das "ich" entsprechend "vermindert" ist. Manchmal ist es möglich, die Adressierung zu verzichten, allerdings geht dies dann auf Kosten der Höflichkeit. Besser also "Danke, Onkel" als einfach nur "Danke". Es wird sprachlich nicht zwischen einem "echten Onkel" und einem "Nennonkel" (rsp. -Tante) unterschieden, gleiches gilt für Omas und Opas. Lediglich Eltern gibt es nur in einfacher Ausführung, oder in zweifacher, wenn man Schwiegereltern hat.
Übrigens gibt es, ganz selten, den Fall der Gleichrangigkeit der Partner.

Zum Abschluss ein Quiz, welches zeigt, wie kompliziert die Vietnamesen hier manchmal denken: Eine Cousine von Hana, Hanh, ist so alt wie ich. In dem Fall würde ich sie als gleichrangig adressieren, wenn ich sie nicht direkt beim Namen nenne. Richtig?

Nicht ganz. Die Anrede mit Namen eignet sich hier besser, will man darauf verzichten, wäre gleichrangige Addressierung korrekt. Nun bin ich aber Hanas Freund, und wenn nicht jetzt, dann würde ich spätestens mit einer eventuellen Heirat ihre "Stellung" übernehmen. Nun ist Hanh aber Hanas kleine Cousine, klein nicht wegen des Alters (sie ist ja älter), sondern klein, weil sie die Tochter einer jüngeren Schwester von Hanas Vater ist. Hier wird also auf Eltern-Ebene verglichen. Die Vietnamesen können auch kompliziert sein...

posted from Bloggeroid

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen